Am 21. Januar wurde Hildegard Kaefer vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister die Wirtschaftsmedaille für ihren nachhaltigen, engagierten und zukunftsorientierten Einsatz für den Handel und die Region Hunsrück verliehen. Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Auflagen konnte die Verleihung nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden, sondern musste digital übertragen werden. Hildegard Kaefer führt mit ihrer Schwester Margret das Porzellanhaus Kaefer in Sohren im Rhein-Hunsrück-Kreis. Für ihren nachhaltigen, engagierten und zukunftsorientierten Einsatz für den Handel und die Region Hunsrück wurde sie von Minister Dr. Volker Wissing sehr gelobt. In ihrer Dankesrede spiegelt Frau Kaefer auf beeindruckende und anschauliche Weise die aktuelle Situation des Handels wider. Aus diesem Grund hat sich die Redaktion dazu entschieden, Teile der Rede in gekürzter Fassung zu veröffentlichen. Auf Anfrage ist die ungekürzte Fassung beim Handelsverband Koch und Tischkultur erhältlich.
(…) Sehr geehrter Herr Dr. Wissing, liebe Gäste, allerdings muss ich Ihnen gleich offenbaren, dass ich an Ruhestand, wie ich eingangs erwähnt habe, keinerlei Gedanken verschwende.
Dafür habe ich noch viel zu viel Freude an der Arbeit, dem Kontakt mit unseren wundervollen Kunden und dem täglichen Miteinander unseres Kaefer-Teams. Außerdem habe ich noch so viele Ideen, wie wir uns mit unserer Firma Kaefer in Sohren weiterentwickeln können.
Momentan erleben wir nicht nur eine herausfordernde und schwierige Zeit. Der berufliche Alltag von uns Händlern ist darüber hinaus in den zurückliegenden Monaten sehr spannend und auch chancenreich geworden. Handel ist Wandel, diese Floskel war wohl nie aktueller als heute. Wir müssen in diesen unruhigen Zeiten zu dem zurückfinden, was den Handel schon immer ausgezeichnet hat: Kreativität und Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit. Das gilt ganz besonders für den Facheinzelhandel und da möchte ich alle Unternehmerinnen und Unternehmer von dieser Stelle aus ermutigen – seien Sie gerade jetzt kreativ und innovativ.
Ein besonderes Anliegen ist mir aber auch in dieser Zeit, junge Menschen entweder als Auszubildende oder als Existenzgründer für den stationären Handel zu begeistern. Ich möchte Ihnen aufzeigen, was für fantastische Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten sie hier vorfinden. (…) Allerdings werden wir alle nur erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, wieder attraktive und liebenswerte Innenstädte zu schaffen. (…)
Ich nehme diese Medaille heute aber auch, stellvertretend für die vielen inhabergeführten Fachgeschäfte in Rheinland-Pfalz, als Zeichen der Wertschätzung entgegen. Allzu oft haben wir stationäre Händler in den vergangenen Jahren eine Wertschätzung für unsere Arbeit vermisst. Auch unsere Bedeutung für attraktive Standorte und eine funktionierende Gesellschaft blieb in den letzten Jahren unberücksichtigt. Man hofierte die Großen und verlagerte Frequenzen auf die grüne Wiese, mit den heute sichtbaren, fatalen Folgen. Und da schaue ich nicht nur auf die Politik, sondern nehme auch Verwaltungen, Institutionen und Verbände in die Verantwortung.
(…) Persönlich vertrete ich den Standpunkt, dass „Erfolg nur von Dauer ist, wenn man ihn erreicht, ohne die eigenen Prinzipien zu untergraben.“
Welche vier Grundprinzipien das sind, möchte Ihnen gerne kurz nahebringen.
„In schweren Zeiten noch mehr tun, mehr investieren“
Als im Jahr 1991 die amerikanischen Streitkräfte vom Flughafen Hahn abzogen und wir auf einen Schlag fast 50 % unserer Stammkundschaft verloren hatten, haben wir, anstatt zu schließen, zu verkleinern oder unseren Standort zu verlagern, in großem Stil in den Ausbau unseres Geschäftes investiert und zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Wir sahen unsere Chance darin, die Kunden, die nun zu uns nach Sohren kamen, durch eine besondere Atmosphäre und ein einzigartiges Einkaufserlebnis langfristig an uns zu binden. Heutzutage wird dies von Experten unter dem Wort „Event-Shopping“ propagiert. - Es darf allerdings nie zur Show verkommen. (…)
„Niemals Abstriche bei der Qualität oder in der Auswahl machen“
Unser Großvater und Firmengründer vertrat die Haltung „wir sind zu arm, um schlechte Qualität zu kaufen“. Dieses Credo ist ein fester Bestandteil der Kaefer-DNA und gilt noch heute für alle unsere angebotenen Produkte. Probleme in der Produktqualität haben wir stets direkt an die Hersteller zurückgemeldet und oft gemeinsam nach Lösungen gesucht. (…) Dieser enge und persönliche Kundenkontakt ist ein ganz wesentlicher Wettbewerbsfaktor für den stationären Fachhandel. Hersteller werden diese enge Bindung nie erreichen können.
Markenbindung und Markentreue lässt sich nur durch den persönlichen Kontakt im stationären Handel aufrechterhalten, es funktioniert nicht über eine virtuelle Online-Beziehung. Allerdings erleben wir als Händler momentan bei vielen großen Marken eine Abkehr vom Fachhandel. Die Möglichkeiten, über eigene Online-Shops oder große, digitale Handelsplattformen schnelles Geld am stationären Handel vorbei zu machen, verklärt so manchem namenhaften Hersteller den Blick auf die langfristigen Folgen. Das Umgehen, der langjährigen und hochgepriesenen Partnerschaft zwischen Industrie und Einzelhandel ist mit ein Grund für den Niedergang unserer Innenstädte.
Immer geringere Margen im stationären Handel, durch die Online-Konkurrenz der Industriehersteller und Handelsplattformen bieten für kleine und junge Händler kaum Spielraum, um langfristig am Markt erfolgreich zu sein. Doch immer mehr auch gestandene Unternehmen, so wie wir, kommen durch die teilweise unfairen Praktiken und unterschiedliche Rahmenbedingungen in Bedrängnis. Eine Entwicklung, die zu vermehrtem Leerstand und verödenden Innenstädten führt, wenn hier nicht endlich gegengelenkt wird. (…) Innenstädte, die von Jung und Alt gemeinsam besucht werden, wo Freizeitgestaltung, Gastronomie, Kunst und Handel gleichermaßen vorhanden sind und voneinander profitieren.
Um diese große Hoffnung zu realisieren, sind wir gemeinschaftlich gefordert. Von der Kommune, über die Immobilienbesitzer, bis hin zu Handel, Industrie, Dienstleistung und Handwerk - müssen alle ihren Beitrag leisten. Nur so entstehen tragfähige Konzepte für die Zukunft unserer Innenstädte. (…)
Für mich ist Innenstadt mehr als Handel. Es ist ein komplexes Entwicklungsfeld, für das es sich aber lohnt zu kämpfen. Es steht in enger Verbindung zu dem dritten Prinzip unseres Porzellanhauses, nämlich „bringe jedem Menschen Wertschätzung und Achtsamkeit entgegen“.
Leider werden diese Begriffe heute zwar inflationär verwendet, jedoch im täglichen Umgang nicht wirklich gelebt. Wir müssen wieder lernen, aufmerksam dem Anderen zuzuhören, um gemeinsam zu bestmöglichen Lösungen zu kommen. Dies gilt nicht nur im Umgang mit unseren Kunden, sondern auch für unsere Mitarbeiter. Als gute Führungskraft reicht es nicht, die Stärken meiner Mitarbeiter zu kennen und Sie bestmöglich einzusetzen. Ich muss mich vielmehr als Dienstleister für das Team verstehen und eine gute Arbeitsumgebung schaffen. (…)
„Aktiv im Ehrenamt sein und darüber Werte und Haltung weitergeben“
(…) Ich engagiere mich selbst seit Jahren in unterschiedlichen Ehrenämtern, allen voran bei der Industrie- und Handelskammer. Es bereitet mir Freude, mein Know-how und meine Erfahrung einzubringen, besonders bei jungen Menschen. Selbstverständlich gilt meine ganz große Leidenschaft dem Handel, der mein ganzes Leben bestimmt und geprägt hat. (…)
Vor diesem Hintergrund, lieber Herr Dr. Wissing, möchte ich Sie als verantwortlichen Politiker bitten, über solche medienwirksamen Verleihungen hinaus die mittelständigen Betriebe und hier insbesondere den Handel durch solide Rahmenbedingungen zu unterstützen. Schnelle und unbürokratische Finanzhilfen gehören selbstverständlich dazu, genauso wie die endgültige Festlegung von umsetzbaren Rahmenbedingungen für verkaufsoffene Sonntage.
Es ist mir als Händlerin völlig unverständlich, wie ich mich den modernen Anforderungen eines Jahres 2021 stellen soll, während ich gleichzeitig Regeln unterworfen bin, die zu Zeiten meines Großvaters aufgestellt wurden. Hier stehen für mich selbstverständlich auch die Vertreter von Gewerkschaften und Kirchen in der Verpflichtung, sich endlich aus ihrer puren Verweigerungshaltung zu lösen. Es muss endlich eine zeitgemäße und akzeptable Lösung erarbeitet werden. Wir müssen alte Zöpfe abschneiden und Grundsätze zukunftsorientiert neu formulieren. Wir im Handel stehen dafür neue Wege zu gehen. Wir sind auf der Suche nach kreativen Lösungen und haben dabei immer einen Blick auf das Gemeinwohl und die Gesellschaft. (…)
Und so möchte ich mit Theodor Fontane enden: „Am Mute hängt der Erfolg.“ Herzlichen Dank für die wirklich besondere Auszeichnung und lassen Sie uns gemeinsam mutig sein.