„Die Zeiten bleiben unsicher und außergewöhnlich herausfordernd – auch für die deutsche Möbelindustrie. Die Achterbahnfahrt für unsere Branche geht weiter“, betonte VDM-Geschäftsführer Jan Kurth während der Pressekonferenz heute Vormittag. Trotz aller Herausforderungen und Aufs und Abs habe die Industrie die letzten zwei Pandemiejahre gut gemeistert, jetzt sei aber noch ein Päckchen oben drauf gekommen durch den Ukraine-Krieg, der die Störungen der Materialverfügbarkeiten und Lieferketten noch einmal verschärft habe.
„Aktuell scheint sich die Materialverfügbarkeit in vielen Bereichen zwar wieder etwas stabilisiert zu haben, wie unsere verbandsinternen Umfragen zeigen. Auch haben sich die Lieferzeiten in der Folge wieder etwas verkürzt. Die Versorgungslage – etwa im Bereich Massivholz – bleibt allerdings weiter angespannt, die Lieferketten sind nach wie vor fragil. Und: Der Preisanstieg bei Vorprodukten und Energie setzt sich fort.“ So lagen beispielsweise die Erzeugerpreise für Holzwerkstoffe, als eine der Hauptkomponenten für Küchen- und Kastenmöbel, nach amtlicher Statistik im Juni 2022 um 46,4 Prozent über dem Vorjahresmonat und auch für das zweite Halbjahr 2022 wurden bereits weitere Steigerungen umgesetzt bzw. angekündigt. Für durchschnittliche Unternehmen liege der Produktionskostenanteil von Holzwerkstoffen bei etwa 30 Prozent. „Entspannung sieht anders aus, und für die Unternehmen bleibt die Weitergabe dieser Belastungen in der Kette existenziell.“ Kurth betonte, dass es jetzt darum gehe, Lieferketten noch besser zu managen.
Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, fallen die Zahlen fürs erste Halbjahr zufriedenstellend aus. Der Umsatz der deutschen Möbelindustrie stieg um 13,4 Prozent auf rund 9,5 Mrd. Euro. Das Umsatzwachstum spiegelt dabei aber vor allem die gestiegenen Materialkosten wider. Das mengenmäßige Wachstum fiel demnach deutlich geringer aus als das wertmäßige Wachstum. Im Monat Juni zeigte sich allerdings mit einem Umsatzplus von 4,3 Prozent bereits eine abgeschwächte Dynamik. Während der Heimatmarkt in diesem Zeitraum um 13,8 Prozent zulegte, fiel der Zuwachs im Auslandsmarkt mit 12,6 Prozent etwas niedriger aus.
Für eine bessere Einordung: Bei der Bewertung der aktuellen Ergebnisse muss auf die Vorjahreswerte verwiesen werden – die Umsätze der deutschen Möbelhersteller legten im ersten Halbjahr 2021 um insgesamt 4,1 Prozent zu. Der Inlandsumsatz stieg damals um 1,1 Prozent und der Auslandsumsatz um 10,7 Prozent. Die aktuellen Umsätze deutscher Möbelhersteller bewegen sich sowohl im Inland als auch im Ausland deutlich über dem Niveau des Jahres 2019 und somit über den Vergleichswerten vor der Corona-Krise.
Einmal mehr Motor des Wachstums ist die Küchenmöbelindustrie mit einem kräftigen Umsatzanstieg um 12,4 Prozent auf rund 3,2 Mrd. Euro. Den höchsten Umsatzanstieg registrierten die Hersteller von Polstermöbeln, deren Umsätze von Januar bis Juni 2022 um 19,1 Prozent auf 577 Mio. Euro zulegen konnten. Auch die Umsatzentwicklung beim größten Segment der Möbelindustrie – den sonstigen Möbeln (darunter Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbel) sowie Möbelteilen – fiel mit plus 17,1 Prozent auf 3,3 Mrd. Euro positiver aus als im Branchendurchschnitt. Das kleinste Segment der Branche – die Matratzenindustrie – vermeldete dagegen ein leichtes Umsatzminus in Höhe von 7,1 Prozent auf 336 Mio. Euro.
Und wie lauten die Prognosen für das zweite Halbjahr? Bei der aktuellen Auftragslage liegen Licht und Schatten dicht beieinander. Die Auftragslage sei zwar insgesamt recht gut (siehe Abbildung), gleichwohl zeichneten sich im Juni und Juli Nachfragrerückgänge ab. Zudem drücken Inflation, steigende Energiekosten und die damit verbundenen Unsicherheiten auf die Konsumstimmung, so Jan Kurth. Auch wenn sich die Branche auf ein schwieriges zweites Halbjahr einstellen müsse, bleibe der VDM zuversichtlich, dass die Themen Wohnen und Einrichten bei den Verbrauchern weiter im Fokus bleiben. „Vor diesem Hintergrund erwarten wir im Gesamtjahr 2022 für die deutsche Möbelindustrie eine leicht rückläufige Mengenentwicklung und einen Umsatzanstieg von 6 bis 8 Prozent aufgrund von Preiseffekten. Im Februar – noch vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs – hatten wir einen Umsatzzuwachs von rund 10 Prozent vorhergesagt.“