Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, begrüßt die Gesetzesnovelle, weil sie u. a. mehr Freiräume bei der Fusionskontrolle bringt.

Bundeskartellamt

Wichtige Änderungen für den Wettbewerbsschutz in der Digitalwirtschaft

Nach der gestrigen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist heute die 10. GWB Novelle unter dem Namen „Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen („GWB-Digitalisierungsgesetz“) in Kraft getreten. Damit sind bedeutende Änderungen für den Wettbewerbsschutz der Digitalwirtschaft verknüpft. Ein zentraler Bestandteil der Novelle ist die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht.

„Die klassische Missbrauchsaufsicht der Wettbewerbsbehörden ist darauf ausgerichtet, vorhandenes wettbewerbsfeindliches Verhalten von marktmächtigen Unternehmen im Nachhinein abzustellen oder zu sanktionieren. Auf dieser Basis haben wir in den vergangenen Jahren auch als nationale Wettbewerbsbehörde wichtige Erfolge erzielt, wie zum Beispiel in unseren Verfahren gegen Amazon oder Facebook. Die große Dynamik der Digitalwirtschaft und das rasante Wachstum der großen Plattformen machen es aber notwendig, schneller und noch effektiver einschreiten zu können“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. „Hier bringt uns die Novelle einen großen Schritt voran. Wir werden künftig bestimmte Verhaltensweisen der Big-Tech-Unternehmen schon früher untersagen können, also quasi bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir werden die Möglichkeit bekommen, vorbeugend einzuschreiten. Das kann ganz entscheidend dazu beitragen, die Marktmacht der großen Plattformen einzubremsen. Der deutsche Gesetzgeber ist hier international Vorreiter. Ähnliche Instrumente werden zwar auch auf europäischer Ebene diskutiert, aber der Gesetzgebungsprozess steht dort noch ganz am Anfang.“

Die wohl bedeutendste Änderung erfolge durch den neu eingeführten Paragraphen 19a. Er ermöglicht dem Bundeskartellamt erstmals ein frühzeitiges Eingreifen bei Wettbewerbsgefährdungen durch bestimmte große Digitalkonzerne. Unternehmen, denen aufgrund ihrer strategischen Stellung und ihrer Ressourcen eine besondere marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt, kann das Bundeskartellamt bestimmte Verhaltensweisen vorbeugend untersagen. Beispiele für solche Verhaltensweisen sind die Selbstbevorzugung von konzerneigenen Diensten oder die Behinderung des Marktzutritts von Dritten durch das Vorenthalten bestimmter Daten. Die Schlagkraft der neuen Vorschrift untermauere der Gesetzgeber außerdem durch eine Verkürzung des Rechtsweges. Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundeskartellamtes, die auf der Basis von § 19a getroffen wurden, werden direkt vom Bundesgerichtshof entschieden. Das Überspringen der in allen sonstigen Kartellrechtsverfahren ersten Instanz, dem Oberlandesgericht Düsseldorf, werde mit einer erheblichen Zeitersparnis in den Verfahren einhergehen.

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber Vorschriften der klassischen Missbrauchsaufsicht konkretisiert und um internetspezifische Kriterien erweitert. Bei der Bemessung von Marktmacht sei nun auch gesetzlich vorgesehen, dass der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten und die Frage, ob eine Plattform über eine sog. Intermediationsmacht verfügt, zu berücksichtigen. Eine solche Schlüsselposition bei der Vermittlung von Dienstleistungen könne eine kartellrechtlich relevante Abhängigkeit begründen.

Hinsichtlich der Regelungen für Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht gilt nun, dass der Schutzbereich der Norm nicht mehr auf kleine und mittlere Unternehmen begrenzt ist. Eine wichtige Neuerung sei auch, dass das Bundeskartellamt zugunsten abhängiger Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen anordnen könne, dass ein Datenzugang gegen angemessenes Entgelt gewährt wird. Darüber hinaus sind spezielle Eingriffsmöglichkeiten für den Fall vorgesehen, dass ein Plattformmarkt in Richtung eines großen Anbieters zu „kippen“ droht (sog. „tipping“ eines Marktes).

Eine bürokratische Entlastung für die Unternehmen soll mit einer Neujustierung der Umsatzschwellen in der Fusionskontrolle erreicht werden. Die meisten Zusammenschlussvorhaben sind in Deutschland erst anmeldepflichtig, wenn die beteiligten Unternehmen weltweit bzw. im Inland bestimmte Mindestumsätze erzielen. Künftig unterliegen Zusammenschlüsse nur dann der Kontrolle, wenn u.a. ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland mindestens einen Jahresumsatz von 50 Mio. Euro macht, statt bisher 25 Mio. und außerdem ein anderes beteiligtes Unternehmen einen Jahresumsatz in Deutschland von mindestens 17,5 Mio. Euro erzielt, statt bisher fünf Mio. Das Bundeskartellamt kann künftig außerdem Unternehmen in bestimmten Wirtschaftszweigen auch unterhalb der Umsatzschwellen dazu verpflichten, Zusammenschlüsse anzumelden. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen, u.a. Schwellenwerte, erfüllt sein und das Bundeskartellamt muss zunächst in einem der betroffenen Wirtschaftszweige eine Sektoruntersuchung durchgeführt haben.

Alle Gesetzesänderungen gibt es unter www.bundeskartellamt.de

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