Als die „möbel kultur“-Redaktion während der M.O.W. von dem Gerücht hörte, dass XXXLutz bei Roller einsteigen soll, war die erste Reaktion: Aber Roller ist doch groß genug. Offenbar nicht! Nicht groß genug, um die digitalen Herausforderungen zu meistern. „Der Einzelhandel unterliegt zunehmend grundlegenden Veränderungen. So haben in den Branchen Lebensmittel, Warenhäuser, Elektronik, Baumärkte, Drogerien, Textil- und Versandhäuser Konzentrationsprozesse auch durch Digitalisierung und Online-Handel zu einer Reduzierung der Marktteilnehmer geführt. Diese Entwicklung zeichnet sich zunehmend in der Möbelbranche ab,“ heißt es zur Begründung aus Goslar.
Hans-Joachim Tessner, inzwischen im Aufsichtsrat der Tessner-Gruppe, zu der Roller, Tejo/ Schulenburg und SB-Lagerkauf gehören, ist ein Pragmatiker und Realist. Das war er schon damals, als er sich von Unger trennte. Er weiß auch, dass die genannten Handelsbranchen, in denen die Konzentrationsprozesse bereits stattgefunden haben, allesamt potenzielle Wettbewerber sind. Denn Möbel können heute auch Aldi oder Rossmann verkaufen. Gerade im Discountbereich ist dies möglich, zumal der E-Commerce die Auswahl im Ladenlokal unendlich erweitert. Um gegen diese Giganten anzutreten, braucht selbst Roller offensichtlich Power an seiner Seite. Und vielleicht wächst noch weitere Konkurrenz heran. Wer vermag heute schon zu sagen, wo in zehn Jahren überall Möbelsortimente angeboten werden.
Für die Branche ist der Deal gleichwohl eine neue Dimension in der Ära der Zusammenschlüsse. Bislang hatten große Unternehmen kleinere aufgekauft. Doch inzwischen fühlen sich selbst die Riesen alleine nicht mehr wohl in ihrer Haut, wie auch das Beispiel Segmüller zeigt, der sich nach Jahren ohne Verband dem Europa Möbel-Verband anschließen will.
Auch für die Verbandsmacht hat die neue Partnerschaft von XXXLutz und Roller Konsequenzen. So verliert Union nach Möbel Buss, der zum 1. Januar 2020 zum Einrichtungspartnerring VME wechseln wird, nun auch noch sein größtes Mitglied Roller/Tejo/SB-Lagerkauf mit 1,4 Mrd. Euro Umsatz und liegt damit nur noch bei geschätzt 1,5 Mrd. Euro Außenumsatz (Anm. d. Red.: die Zahl wurde aktualisiert). Die neue Nummer eins bei Union ist nun Hardeck mit ca. 340 Mio. Euro. Für Geschäftsführer Hermann Jäger keine glückliche Fügung, da ihm das Bundeskartellamt erst letzten Monat schon beim geplanten Zugang von KHG (Höffner) einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
Großer Gewinner bei der ganzen Sache: Giga International, dessen Außenumsatz nun insgesamt, inklusive aller Auslandsmärkte, auf 10,4 Mrd. Euro wächst. Gleichwohl unterstreicht der Verband damit seine enorme Machtposition.
Betrachtet man allein die XXXLutz-Gruppe, die im übrigen nicht nur an Roller, Tejo/Schulenburg zu 50 Prozent beteiligt ist, sondern auch noch an Zurbrüggen und Möbelzentrum Pforzheim (je 50 %) sowie an Dodenhof (75 %), dann wird deutlich, dass die Österreicher der jetzigen Nummer 1 am deutschen Markt, Ikea, immer mehr auf die Pelle rücken. Der XXXLutz D-Umsatz dürfte geschätzt (inkl. Poco und Roller/Tejo/Schulenburg) bei über 4,5 Mrd. Euro liegen. Ikea Deutschland vermeldete zuletzt für das Geschäftsjahr 2017/2018 5,003 Mrd. Euro. Das Ziel, die Schweden zu überflügeln, ist also nicht mehr unerreichbar.