Schon vor Corona war die Raumschmiede GmbH voll auf Wachstumskurs. Durch den Online-Boom springt die Betreiberin der drei Onlineshops Garten-und-Freizeit.de, Betten.de und Piolo.de 2020 deutlich über die 100-Millionen-Euro-Umsatzmarke. Geschäftsführer Jürgen Schuster erläutert im Interview mit der möbel kultur, wie sein Unternehmen bisher durch die Pandemie gekommen ist und warum die Logistk aktuell das Nadelöhr schelchthin ist.
möbel kultur: Herr Schuster, wie war der operative Geschäftsverlauf für die Raumschmiede GmbH im vergangenen Jahr?
Was waren die größten Herausforderungen?
Jürgen Schuster: Corona-bedingt stieg die Nachfrage im zweiten Quartal erheblich an. Im April und Mai 2020 waren unsere Umsätze doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Aktuell sehen wir im zweiten Lockdown einen ähnlich überdurchschnittlichen Bestellboom. Durch den rasanten Anstieg mussten wir die Mitarbeiterzahl in der Logistik und Kundenbetreuung binnen kurzer Zeit stark erhöhen und integrieren. Dies führte vor allem zu kurzfristigen organisatorischen Herausforderungen, da wir ja parallel auch unsere Infrastruktur sowie die Hygienemaßnahmen mit ausbauen mussten.
möbel kultur: In welchem Maße und aus welchen Ländern importiert die Raumschmiede GmbH mit ihren unterschiedlichen Onlineshops Möbel?
Jürgen Schuster: Unsere Gartenmöbel werden größtenteils in Fernost produziert. Hauptlieferländer sind hier China, Vietnam und Indonesien. Indoormöbel, beispielsweise hochwertige Betten und
Schlafsysteme, beziehen wir hingegen weitgehend aus Europa.
möbel kultur: Zu Cocooning gehört auch Dekorationsware. Sehen Sie hier für die Shops der Raumschmiede strategisches Potenzial? In welcher Größenordnung?
Jürgen Schuster: Wir sehen hier durchaus Potenzial, aber der Angebotsschwerpunkt unserer Shops wird immer auf Möbeln liegen. Dekorationsware wird bei uns perspektivisch maximal ein Fünftel des Gesamtportfolios ausmachen.
möbel kultur: Wie ist die aktuelle Lage in den unterschiedlichen Sourcing-Märkten und -Regionen?
Jürgen Schuster: Wir haben aktuell bei keinem unserer Shops Lieferkettenprobleme. Alle Sortimente sind grundsätzlich über die gesamte Breite unseres Produktangebots verfügbar. Allerdings gibt es bei den europäischen Herstellern aufgrund der allgemein hohen Nachfrage zurzeit oft längere Lieferzeiten. Aber da passen wir einfach unsere Vorläufe entsprechend an. Etwas komplizierter ist aktuell die Lage bei Gartenmöbeln. Diese werden zwar ausreichend produziert, aber aufgrund knapper Seefrachtkapazitäten nur verzögert oder mit signifikanten Zusatzkosten geliefert. Durch die Verknappung der Container steigen aktuell die Frachtkosten enorm an. Dies wird sich bei einigen Produktkategorien auch auf die Produktpreise auswirken.
möbel kultur: Mit welchen Lieferzeiten muss man gerade rechnen?
Jürgen Schuster: Die Lieferzeiten der Artikel, die wir in unseren Lagern und Logistikzentren vorhalten, sind sehr gering. Bei Bestellungen von Lagerware sind die Artikel als Paket- und Speditionslieferungen in der Regel binnen weniger Arbeitstage beim Kunden. Bei Kommissionsware sind die Laufzeiten deutlich länger, da kann eine Lieferung derzeit schon mal 12 bis 16 Wochen dauern.
Warum verteuern sich die Container aus Asien so stark?
Jürgen Schuster: Das liegt weitgehend an der durch die Corona-Einschränkungen entstandenen erhöhten Nachfrage nach Haushalts- und Konsumgütern. Da diese hauptsächlich aus Asien kommen, ist ein sehr hoher Mehrbedarf an entsprechenden Frachtkapazitäten entstanden. In Europa besteht wegen dieser sehr hohen Import-Warenströme momentan ein Rückstau beim Abtransport und Entladen der Container. Gleichzeitig fließen aufgrund der noch niedrigen Exporte nach Asien generell weniger Container nach China & Co. zurück. Durch diese beiden Aspekte stehen aktuell nicht genug Frachtkapazitäten für den deutschen Importbedarf zur Verfügung. Unsere Speditionsdienstleister beziffern den aktuellen Rückstau alleine für China auf einige Hunderttausend Container.
möbel kultur: Wird sich diese Thematik 2021 entspannen oder verschärfen?
Jürgen Schuster: Bis zum chinesischen Neujahrsfest am 12. Februar 2021 wird sich die Lage meiner Meinung nach noch weiter verschärfen. Da rund um diesen Termin nahezu ganz China wochenlang stillsteht, werden zuvor noch möglichst viele Waren verschifft. Das erhöht das nachgefragte Volumen immer weiter und die bereits jetzt zu knappen Kapazitäten können die hohe Nachfrage nicht abfangen. Aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation und angesichts der Tatsache, dass Europa die aktuelle Krisensituation im ersten Quartal 2021 noch nicht überwunden haben wird, gehe ich davon aus, dass sich die weltweit aus dem Gleichgewicht geratene Logistik erst mit dem Beginn der warmen Jahreszeit wieder normalisieren wird.
möbel kultur: Die Raumschmiede GmbH ist international verzahnt und aufgestellt. Ist das für 2021 auch eine Gefahr?
Jürgen Schuster: Nein, unserer Einschätzung nach nicht, da sehen wir keine größeren zusätzlichen Risiken.
möbel kultur: Wie begegnet die Raumschmiede GmbH der Lieferkettenproblematik? Gibt es Anpassungen der Supply Chain?
Jürgen Schuster: Wir müssen die weltweite Logistik aktuell sehr genau in Echtzeit beobachten, um unsere Lieferprozesse jeweils schnellstmöglich und flexibel anpassen zu können. Wo immer möglich, ziehen wir Warenlieferungen vor, ehe die Preise noch weiter steigen. Da außerdem bestimmte Containertypen wie etwa 40HQ zurzeit stärker nachgefragt werden, weichen wir, wenn es Warengrößen und Stückzahlen erlauben, frühzeitig auf besser verfügbare Transporteinheiten aus.
Da Containerplätze auf Schiffen langfristig gebucht werden müssen, stehen wir in ständigem Austausch mit unseren Lieferanten, um rechtzeitig Plätze zu erhalten und um bei Verzögerungen einer Ware auf andere, bereits verfügbare, Lieferungen wechseln zu können. Gleichzeitig ergibt sich auch immer wieder die Chance, kurzfristig frei gewordene Plätze anderer Importeure zu übernehmen. In Einzelfällen steigen wir auch auf den Containertransport per Bahn um.
möbel kultur: Wird es Lücken im Sortiment geben?
Jürgen Schuster: Wir bestellen grundsätzlich nicht Just-in-Time, sondern mit Vorlauf. Daher werden wir trotz eventueller Verzögerungen auch dieses Jahr unsere saisonale Ware wie immer vorrätig haben. Aufgrund der sehr hohen Nachfrage kann es aber passieren, dass einzelne Artikel,ausverkauft sind und wir unsere Bestände nicht schnell genug ergänzen können.
möbel kultur: Mit welchem Geschäftsverlauf rechnen Sie im kommenden Jahr?
Jürgen Schuster: Mindestens bis zum Sommer wird der aktuell sehr starke Onlineboom weitergehen. Sobald sich, etwa durch Impfmaßnahmen, ab dem dritten Quartal 2021 die Corona-Auswirkungen auf das Konsumverhalten abschwächen, gehen wir von einem Abflachen der extrem hohen Nachfrage aus. Aber unser Onlinegeschäft wird sich auch dann auf einem höheren Niveau weiterentwickeln als vor der Pandemie.