Andrea Frühauf, Redakteurin der "Neuen Westfälischen" hat den kompletten Schieder-Prozess beobachtet.

Schieder

Prozessbeobachtung ganz persönlich

Andrea Frühauf, seit 25 Jahren Redakteurin bei der "Neuen Westfälischen", hat nahezu den gesamten Schieder-Prozess verfolgt. Sie gehört damit zu den wenigen, die sich wirklich ein Urteil über den Prozess-Verlauf erlauben können. Guter Grund für "möbel kultur online", um bei ihr nachzufragen, wie sie das Verfahren erlebt hat und wie sie die gestern verkündeten Urteile bewertet (möbel kultur online berichtete).

möbel kultur online: Frau Frühauf, wie haben Sie den Prozess empfunden?

Andrea Frühauf: Insgesamt als sehr angenehm. Der Richter Michael Reineke hat stets auch die menschliche Seite bei den Angeklagten gesehen. Ohne aber den Betrug aus den Augen zu verlieren. Er war ein fairer, sehr gut informierter und vorbereiteter Richter, aber definitiv auch nicht zu milde. Er war stets um Aufklärung bemüht. Und das soll ein Prozess ja auch bringen. Michael Reineke kommt selbst aus Detmold und weiß natürlich um die Bedeutung von Rolf Demuth in der Region. Demuth polarisiert nach wie vor. Manche sehen ihn immer noch als Wohltäter, andere haben ihm die höchstmögliche Strafe gewünscht. Wäre es bei der Anschuldigung des Betrugs geblieben, die zum Schluss fallen gelassen wurde, dann wären viel höhere Strafen dabei herausgekommen.

möbel kultur online: Warum ging es zum Schluss "nur noch" um Kreditbetrug?

Andrea Frühauf: Der Betrug wäre, wenn überhaupt, wohl nur sehr schwer nachzuweisen gewesen. Auch weil sich bei dem polnischen Unternehmen MMI, das eine maßgebliche Rolle bei der ganzen Geschichte gespielt hat, die Zeugen geweigert hatten, Aussagen zu machen. Die Anwälte der Angeklagten hatten wohl auch noch viel in der Hand, um den Betrug auszuräumen und hätten noch viele Anträge gestellt, wenn es nicht jetzt so schnell zum Ende des Prozesses gekomen wäre.

möbel kultur online: Ursprünglich waren 38 Verhandlungstage angesetzt. Am 33. Tag wurden gestern die Urteile gesprochen. Warum ging es denn letztendlich so schnell?

Andrea Frühauf: Der Richter wollte von Anfang an einen Prozess führen, der eben nicht ausartet - und bei dem nach zehn Jahren immer noch keine Urteile gespochen worden sind. Er war für hohe Transparenz. Er wollte auch zeigen, dass selbst bei so einem komplexen Prozess ein Urteil nach "nur" gut einem halben Jahr möglich ist. Wenn sich der Richter und auch die Anwälte gesprächsbereit zeigen. Wobei man auch nicht von einem "Gentleman Agreement" sprehen kann.

Bei dem Prozess wurde schon deutlich, dass die Angeklagten bis zum Schluss daran geglaubt haben, dass das Unternehmen gerettet werden kann. Die Insolvenz war nie Thema. Alle Beteiligten haben immer in die Zukunft geblickt. Der Richter betonte gestern noch einmal, dass er davon ausgeht, dass es eine Rettung hätte geben können.

möbel kultur online: Der Staatsanwalt Ralf Günter hatte höhere Strafen gefordert. Wie haben Sie ihn erlebt?

Andrea Frühauf: Er hätte sich sicherlich mehr Strenge in dem Verfahren gewünscht und - wie von ihm gefordert - auch die Verhängung von deutlich höheren Strafen. Richter und Staatsanwaltschaft waren sich immer wieder uneins.

möbel kultur online: Wie haben die Angeklagten die Urteile aufgenommen?

Andrea Frühauf: Andreas Hillbrink und Franz-Josef Golüke waren natürlich heilfroh, dass die Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Für Rolf Demuth war es zu Beginn des Prozesses sehr schwierig zu akzeptieren, dass ihm Betrug vorgeworfen wird, dass sein Image mit dem Prozess so angekratzt wurde. Er sah sich damals wohl mehr als Opfer. Sein Anwalt Dr. Tido Park betonte aber, dass Demuth im Laufe des Prozesses viel gelernt habe. Trotzdem war gestern natürlich ein schwieriger Tag für alle Angeklagten. Nun wurden sie verurteilt. Obwohl auch alle sichtlich erleichtert waren, dass der Prozess für sie jetzt zu Ende ist.

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