Eckhard Schwarzer, Präsident des Mittelstandsverbundes ZGV. Foto: Der Mittelstandsverbund ZGV

Der Mittelstandsverbund ZGV

Präsident Eckhard Schwarzer im Interview

Herr Schwarzer, Sie sind im Mai in Ihre zweite Amtszeit als Präsident des Mittelstandsverbundes gestartet. Die Herausforderungen sind definitiv nicht weniger geworden. Wo steht der kooperierende Mittelstand heute?

Eckhard Schwarzer: Das ist völlig richtig! Ich könnte mich nun beklagen, dass wir uns abermals in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befinden, die gerade die kleinen und mittleren Unternehmen besonders belastet. Aber das aktive Mitwirken an der Bewältigung von Herausforderungen ist selbstverständlich Teil meiner Arbeit für den Mittelstandsverbund, weswegen ich mich der aktuellen Situation natürlich stelle. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat, nachdem das Auslaufen der Corona-Beschränkungen eigentlich einen Aufschwung erwarten ließ, zu einer sehr volatilen Lage mit neuen Lieferengpässen, vor allem aber enormen Preissteigerungen geführt – insbesondere bei Gas und Strom, aber auch vielen anderen Rohstoffen und Produkten. Darunter leidet der Mittelstand massiv. Dabei hat schon die Corona-Pandemie die finanziellen Rücklagen der Unternehmen vielfach aufgezehrt, sodass nun das nötige Polster zur Abfederung fehlt. In dieser Situation brauchen wir gezielte Unterstützung durch die Politik, sind aber auch allesamt aufgerufen, selbst unseren Beitrag zur Energieeinsparung zu leisten.

Welche politische Unterstützung brauchen die mittelständischen Unternehmen am dringendsten?

Eckhard Schwarzer: Über die kurzfristige Unterstützung hinaus würden unserer Mitgliedschaft strukturelle, insbesondere steuerliche Entlastungen sehr helfen. Viele kleine Unternehmen sind finanziell ausgezehrt und leiden angesichts steigender Kosten in vielen Bereichen auch darunter, dass gerade sie in Relation sehr stark vom Fiskus beansprucht werden. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass für Personenunternehmen die Einkommensteuer die primäre Steuer darstellt. Insofern werden sie durch Anpassungen des Einkommensteuertarifs zur Abmilderung der Kalten Progression zwar entlastet. Das hilft aber mit mindestens einem Jahr Zeitversatz. Vor allem bessere Abschreibungsmöglichkeiten für nachhaltige Investitionen und eine erweiterte Verlustverrechnung wären kurzfristig hilfreich. Die Bundesregierung orientiert sich leider – wie schon in der Corona-Krise – zu stark an großen Konzernen, die eben strukturell anders aufgestellt sind und andere Interessen haben. Deshalb muss gerade der Mittelstand als Rückgrat unserer Wirtschaft wieder stärker in den Fokus der politischen Debatte rücken. Die Politik kann aber natürlich nicht sämtliche zusätzlichen Belastungen vollständig auffangen. Umso wichtiger ist es daher, die Anstrengungen im Bereich der Ressourceneffizienz zu intensivieren und alle Potenziale des Mittelstandes zur Einsparung auszuschöpfen.

Wie kann das gelingen?

Eckhard Schwarzer: Nachhaltigkeit ist in der Identität mittelständischer Unternehmer:innen fest verankert. Seit vielen Jahren leisten unsere Verbundgruppen und ihre Anschlusshäuser ihren Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Im aktuellen Projekt „Klimaverbund“ wurden bereits zahlreiche Beschäftigte der Verbundgruppenzentralen zu sogenannten „Klimaprofis“ ausgebildet. Damit dieser Einsatz gerade in dieser kritischen Situation verstetigt werden kann, braucht es aber eine bessere staatliche Anerkennung für das Qualifizierungsprofil des Klimaprofis. Der Mittelstandsverbund tritt dafür ein, dass sie den zertifizierten Energieberatern gleichgestellt werden, um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können. Ich habe das in einer Videokonferenz mit Bundesminister Habeck schon einmal angesprochen und gefordert und ich hoffe, dass dies auf offene Ohren gestoßen ist.

Was sollte die Politik darüber hinaus tun, um den Mittelstand zu stärken?

Eckhard Schwarzer: Die Unternehmen im kooperierenden Mittelstand können aus sich heraus wirtschaftlich stark sein, aber dafür brauchen sie auch Freiräume – und nicht zusätzliche Steine, die ihnen die Politik in den Weg legt. Die größten Belastungen, von Steuern abgesehen, entstehen durch überbordende Bürokratie und Dokumentationspflichten. Die Bundesregierung muss daher in den kommenden Jahren endlich einen spürbaren Bürokratieabbau betreiben. Es braucht auch ein ernstgemeintes Belastungsmoratorium, das zusätzliche bürokratische Pflichten ausschließt. Und solche Pflichten drohen z.B. im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sowie bei den Berichterstattungspflichten im Bereich Nachhaltigkeit indirekt auch den mittelständischen Unternehmen. Schließlich – und das liegt mir seit langem ganz besonders am Herzen – müssen wir endlich auch bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorankommen. Unternehmen müssen einfach, digital und sparsam mit Blick auf die Datenübermittlung über gemeinsame Schnittstellen mit allen Behörden kommunizieren können. Nur so können sie sich ansonsten auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.

Und welchen Herausforderungen müssen sich die Unternehmen in ihrem Kerngeschäft vor allem stellen?

Eckhard Schwarzer: Zum einen steht weiterhin die Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodell im Fokus – insbesondere im Handel, wo die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie ja die Schwächen eines rein stationär ausgerichteten Geschäfts offengelegt hatten. Was zum anderen aber alle Verbundgruppen und Anschlusshäuser ernsthaft umtreibt, ist der zunehmende Fachkräftemangel. Kleine und mittlere Unternehmen hatten es in der Regel leider schon immer schwerer als große Konzerne, von Bewerber:innen wahrgenommen zu werden. Durch die demographische Entwicklung und veränderte Erwartungen an die Arbeitswelt wird es aber noch schwerer, junge Menschen für die Arbeit in einem kleineren Unternehmen – zumal im ländlichen Raum – zu gewinnen.

Daher müssen auch die Unternehmen bei der Personalgewinnung umdenken und sollten ihre Ansprache anpassen – und vor allem auch ihre Kanäle öffnen. Gerade an Social Media kommt man hier kaum noch vorbei. Die Potenziale von generationsübergreifendem Arbeiten sollten außerdem noch besser genutzt werden. Das eröffnet neue Perspektiven, erfahrene Fachkräfte zu gewinnen. Flexible Arbeits- und Personalentwicklungsmodelle sowie der ganzheitliche „Purpose“ einer Tätigkeit im Mittelstand sollten viel stärker herausgestellt werden, um die Zielgruppe angemessen abzuholen. Denn wer im Mittelstand arbeitet, hat nicht nur oftmals mehr Freiraum bei der Ausgestaltung der eigenen Stelle, sondern kann dabei auch zum „Sinnstifter“ werden – indem er oder sie etwa die wirtschaftliche Vielfalt und die gewachsenen Strukturen vor Ort stärkt oder durch den eigenen Einsatz maßgebliche Impulse für die Entwicklung des Unternehmens auslöst. Diese besonderen Chancen und Potenziale sind der große Vorteil einer Tätigkeit im Mittelstand. Wir müssen nur mehr darüber sprechen!

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