Als „völlig heterogen“ bezeichnete auch Christian Haeser, Geschäftsführer des BVDM, anlässlich der heutigen gemeinsamen Pressekonferenz mit dem VDM die 2021er Bilanz für den Möbelhandel. Und ähnlich wie in der Industrie zeigte hier der Umsatz den Schnitt von zwei Prozent Plus. Insgesamt erwirtschaftete der Möbel-, Küchen- und Einrichtungsfachhandel im vergangenen Jahr 33,8 Mrd. Euro Jahresbruttoumsatz. Der Büromöbel- und der Küchenmarkt gingen dabei als Wachstumstreiber hervor, wohingegen der Matratzen- und Gartenmöbelbereich Verluste hinnehmen mussten. Dies ergibt sich aus Hochrechnungen auf Basis der ersten zehn Monate 2021 nach Werten des BVDM in Abstimmung mit dem IFH Köln.
Der Küchenhandel schloss demnach mit einem Wachstum von rund 8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ab (bei einem Umsatz von 14 Mrd. Euro), bei Büromöbeln konnte das Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahr sogar um 10 Prozent gesteigert werden und bei den Polstermöbeln um 3 Prozent. Dem gegenüber stehen Umsatzeinbußen von rund 9 Prozent bei der Hauptwarengruppe Matratzen und 6 Prozent bei den Garten- und sonstigen Wohnmöbeln.
Cocooning und Homeoffice, also die zunehmende Verschmelzung von Privat- und Arbeitsleben, bilden die Basis für eine gute Nachfrage. 2021 offenbarte außerdem, dass Kund:innen eher Kleinstmöbeln den Vorzug gaben und weniger große Möbelstücke wie Schrankwände kauften, was für einen weitläufig offenen Wohnstil spricht.
Die Nachfrage nach Gartenmöbeln war laut Haeser rückläufig, da viele Kunden bereits im Pandemiejahr 2020 den Kauf vorgezogen haben und der Markt gesättigt war. Im Bereich der Matratzen liegt der Grund des Umsatzrückgangs im Handel zum einen in dem coronabedingten Weihnachts- und Neujahrsgeschäft – normalerweise ist dies die umsatzstärkste Zeit des Jahres – und zum anderen waren die Materialien für die Matratzenproduktion schwer verfügbar.
Belastend für den Handel waren nicht nur der Lockdown bis April/Mai 2021 und die verschärften Corona-Regeln Ende Oktober, sondern auch die anderen Störfaktoren. Auch 2022 werde der Handel die Corona-Pandemie, Inflation, Lieferengpässe sowie erwartete Verschiebungen bei Konsumausgaben in andere Bereiche wie den Tourismus zu bewerkstelligen haben. Positive Impulse gehen indes vom Wohnungsbau aus: Ende September 2021 lagen die Auftragsbestände bei fast 13 Mrd. Euro, eine Steigerung zum Vorjahreswert um fast 20 Prozent.
Durch den erneuten Lockdown haben sich viele Händler auch mit alternativen Geschäftskontakten verstärkt beschäftigt. Neben den reinen Online-Aktivitäten wie Online-Shop, Marktplätze oder auch Social Media standen Click & Meet, Call & Meet und Click & Collect im Fokus. Zahlreiche Händler, die bisher ihren Schwerpunkt auf den stationären Vertrieb gelegt haben, nutzten dabei die Zeit, einen Online-Shop zu installieren bzw. den vorhandenen zu optimieren. Ergänzt wurde der Service durch Online-Beratungsmaßnahmen.
Das IFH ging im Jahr 2020 davon aus, dass 44 Prozent des Onlinehandels allein auf Marktplätzen getätigt werden. Auch kleineren Händlern bieten Plattformen einen niedrigschwelligen Onlinehebel, der Sichtbarkeit erzeugt und Umsätze ermöglicht. Für 2021 rechnet der BVDM deshalb in diesem Bereich mit einem steigenden Anteil.
Der Onlinehandel im Möbelbereich liegt weiterhin bei rund 15 bis 20 Prozent und ist maßgeblicher Bestandteil des Multi-Channel-Geschäfts. Die Filialen übernehmen zunehmend andere wichtige Funktionen im Kontakt mit den Kund:innen. Mit einer wesentlichen Steigerung des Onlinehandels sei aber nicht zu rechnen, da das haptische Erleben der Produkte im Fachhandel nach wie vor vom Kunden gewünscht wird, so die Einschätzung von Haeser.
Eine konkrete Prognose zum aktuellen Zeitpunkt fiel auch dem BVDM-Geschäftsführer schwer. Schon durch den steigenden Wohnungsbau werde zumindest der Bedarf an Küchen, Polster- und Wohnungsmöbeln anhalten.
Abfallvermeidung, Recycling, Zero Waste und Upcycling sind weiterhin Themen der Interior-Branche. Bei Möbeln wird zunehmend auf robuste und fair produzierte Materialien sowie gelabelte Produkte geachtet. Möbel aus Massiv- oder Vollholz werden wegen ihrer Langlebigkeit und Wertigkeit verstärkt nachgefragt. Die Vorgaben aus der EU zur Kreislaufwirtschaft werden ferner zu einer Belebung von Dienstleistungen wie beispielsweise Refurbished und Möbel zur Miete führen, so die Vermutung.
Auch der deutsche Möbelhandel baue weiterhin auf die imm cologne und die Living Kitchen im Jahr 2023. Haeser bedauerte ausdrücklich im Namen der Branche den Ausfall „der wichtigsten Leitmesse“ und betonte, dass der physische Marktplatz von zentraler beduetung für ein erfolgreiches B2B- und B2C-Business ist.