Wie muss sich eine Messe zukunftsfähig ausrichten, die den Anspruch hat, als global führender Marktplatz für Hightech-Innovationen im Bereich Consumer und Home Electronics zu gelten?
Um diese Frage geht es letztlich bei der Auseinandersetzung zwischen GfU und Messe Berlin, die aktuell heiß diskutiert wird – und doch nicht ganz neu ist. Angeheizt wurde die Diskussion bereits im ersten Corona-Jahr 2020, weil pandemiebedingt keine regulären Präsenzveranstaltungen in Berlin stattfinden konnten. Der letzte Funke kam gestern durch einen Artikel in der „FAZ“, in dem BSH-Vertriebsvorstand Volker Klodwig als Aufsichtsratschef der GfU seine Erwartungen an eine Verbindung von physischer Messe mit digitaler Verlängerung formulierte, wobei diese dann 365 Tage im Jahr als Plattform genutzt werden kann.*
In der Konsequenz vertritt Klodwig damit eine ähnliche Position wie der ehemalige Messechef Dr. Christian Göke, der vor zwei Jahren offenbar vergeblich versucht hatte, mit Hilfe von Fremdinvestoren neue Digitalisierungskonzepte umzusetzen und daraufhin nach über zwanzigjähriger Tätigkeit bei der Messegesellschaft seine Kündigung einreichte. Inzwischen Generalbevollmächtigter der Familienholding Vesica, gehört Dr. Göke über die Berliner Beteiligungsgesellschaft Aquila zu einem Konsortium, das Messeveranstalter GfU gemeinsam mit dem Londoner Unternehmen Clarion Events gegründet hat, um laut diversen Presseberichten nun neue Wege auszuloten – wobei allerdings die Messe Berlin nur noch als Vermieter und nicht mehr als Mitveranstalter im Boot bleiben soll.
Die IFA sieht sich nach neuen Partnern um und sogar der Messestandort Berlin stehe in Frage, hatte Anfang März u. a. die „Berliner Morgenpost“ berichtet. Die Fäden hält hier die GfU als Lizenzinhaber der Messe in der Hand. Anlass für eine Neuorganisation gibt der 2023 auslaufende Vertrag mit der Berliner Messegesellschaft. Inwieweit dann die Ideen von Dr. Göke und anderen Branchenprotagonisten realisiert werden, wird sich in nächster Zeit zeigen.
Heute findet u. a. ein Zusammentreffen von GfU, Messegesellschaft und dem ZVEI mit Vertretern der Hausgeräteindustrie statt. Für Geschäftsführer Werner Scholz wird derzeit jedoch vieles zu hoch gekocht und auch in den Berichten über den „Berliner Klügel“ und den Streit um finanzielle Interessen sei nicht alles sachlich richtig. Dass die Verträge 2023 auslaufen, stimme zwar, aber es sei völlig normal, in solchen Fällen bestehende Vereinbarungen in Frage zu stellen und mit Blick auf den Wettbewerb neu abzuwägen, erläutert er gegenüber moebelkultur.de. Dabei sieht er selbst keinen Anlass zur Hektik: „Die IFA als internationale Leitmesse ist dieses und auch nächstes Jahr für uns gesetzt.“
Zu beobachten ist zudem, wie sich die IFA Berlin auch gegenüber den anderen internationalen Messen für weiße und braune Ware wie der CES in den USA oder AWE in Shanghai positioniert. Morgen zur internationalen Pressekonferenz wird die Messe Berlin sicher mehr über den aktuellen Stand der IFA berichten.
*Anmerkung: Hier einige Zitate von Volker Klodwig aus dem FAZ-Artikel:
",Mir war klar: Nach dem Motto, wir machen einmal im September in Berlin das Licht an, das reicht nicht mehr aus.'...Denn heute sei es so, dass eine physische Veranstaltung mit einer digitalen Verlängerung verbunden werde. ,Unsere Überzeugung ist: Es muss genau umgekert sein.' Es gelte 365 Tage eine Plattform zu nutzen, also Handel und Konsumenten digital ganzjährig und global zu erreichen. Als Branchenhöhepunkt kommt dann die physische Messe."