Unter großer Beteiligung fand vom 15. bis 17. September die Mitgliederversammlung des Industrieverbandes Schneid- und Haushaltswaren in Lübeck statt. Zwar seien die Mitglieder des Verbandes wieder erwarten gut durch das erste Coronajahr gekommen, und im vergangenen Jahr seien mehrheitlich sogar zweistellige Zuwächse zu verzeichnen gewesen, aber leider habe sich die Geschäftslage mittlerweile in fast allen Bereichen deutlich verschlechtert.
Für das erste Halbjahr 2022 ergibt sich folgendes Bild: Die Umsätze der Schneidwarenindustrie hätten anfänglich noch einmal deutlich zugelegt, oftmals sogar zweistellig. Gleiches gelte auch für die Besteckindustrie, die im ersten Halbjahr einen Umsatzzuwachs von gut acht Prozent erwirtschaftet habe, wobei der Absatz jedoch nur um knapp ein Prozent gewachsen sei. Was als eindeutiges Indiz für die tatsächliche Lage des Marktes gewertet werden müsse. Im Bereich von Haushalt-, Küchen- und Tafelgeräten hingegen seien die Geschäfte schon zu Jahresbeginn deutlich schlechter verlaufen, und bis zur Jahresmitte habe sich hier ein Minus in Höhe von neun Prozent ergeben.
Alle Frühindikatoren sprächen eindeutig dafür, dass sich leider auch die Umsätze bei Schneidwaren und Bestecken inzwischen in diese Richtung bewegen. Die Situation im Fachhandel sei geprägt durch zu hohe Lagerbestände und, passend dazu, zu geringen Abverkäufen. Im Bereich Hotel-Gastronomie und Catering gingen die Geschäfte indes noch vergleichsweise gut, aber dieser Bereich leide massiv unter Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und mittlerweile auch zunehmend unter kleineren Kassenbons pro Gast.
Zurückhaltung zeige sich ferner auch bei den großen Namen des Möbelhandels, und geradezu dramatisch stelle sich die Situation aktuell in Gartenfach- und Baumärkten dar, wo es inzwischen Überlegungen gäbe, aufgrund der gestiegenen Energiekosten die Märkte an ein bis zwei Tagen in der Woche komplett zu schließen.
Eine regelrechte Flaute zeige sich zudem beim Onlinehandel. Während sich der E-commerce in den letzten zwei Jahren als Treiber erwiesen hat mit Umsatzsteigerungen von durchschnittlich 40 Prozent, ergibt sich aktuell ein völlig anderes Bild. Die Ursachen hierfür seien offensichtlich: Die tiefgreifende wirtschaftliche Krise sei bei den Menschen konkret angekommen.
Über acht Prozent Inflationsrate seien gerade für Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen eine dramatische Entwicklung. Gleichzeitig sei die Schneid- und Haushaltwarenindustrie aber auch selbst von den dramatischen Kosternsteigerungen betroffen, und zwar sowohl in der eigenen Produktion als auch im Falle von Fremdfertigung und -bezug in anderen Teilen der Erde. Es könne deshalb auch nicht verwundern, dass zum Beispiel seitens der Hersteller in China inzwischen über einen bislang nicht gekannten Auftragsmangel geklagt werde. Vor diesem Hintergrund spiele es fast schon keine Rolle mehr, dass Frachtcontainer und entsprechende Transportmöglichkeiten nur schwer oder zu hohen Kosten zu bekommen seien.
Ohne Frage werde sich die Situation in den kommenden Monaten weiter zuspitzen, zumal die Krise vor allem in Deutschland nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische sei, da gerade die Zuspitzung auf dem Energiesektor natürlich auch auf Entscheidungen der Regierung zurückgehe. Eine Gasumlage, so der Verband, gebe es weltweit jedenfalls nur in einem einzigen Land - in Deutschland.
Der Verband werde die anstehenden Herbstsitzungen nutzen, um gemeinsame Strategien zur Bewältigung der Krise zu erörtern. Schwerpunkte würden dabei Themen wie Energie und Materialbeschaffung und ebenso der künftige Auftritt auf den Messen des Faches sein.
Im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung präsentierte der Verband seinen Mitgliedern zwei Referenten, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher hätten sein können und sich doch ergänzten: Der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung Köln, Dr. Kai Hudetz, referierte über die Entwicklung des „Direct to Consumer Business“ und zeigte dabei Chancen und Risiken auf, welche dieser Absatzkanal mit sich bringe. Der zweite Referent des Tages war Tobias Haberl, Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung, vor allem aber Autor verschiedener zeitkritischer Bücher. Er sprach zum Thema „Die große Entzauberung - Warum eine Gesellschaft nicht nur technologischen Fortschritt, sondern eine Seele benötigt“.
Im Rahmenprogramm schnupperten die Teilnehmer außerdem Seeluft bei einem Ausflug nach Travemünde und der „Einschiffung“ auf der Viermastbark „Passat“.