Dr. Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie, befürchtet, dass die Konzentration im Möbelhandel weiter steigt.

Dr. Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie, zu Kika/Leiner

„Konzentration verschärft sich“

Die Insolvenz von Kika/Leiner hat die österreichische Möbelindustrie eiskalt erwischt. Die Hoffnung ist groß, dass zumindest einige der Häuser unter neuem Konzept weitergeführt werden. Die „möbel kultur“ fragte bei Dr. Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie nach, welche Auswirkungen die Pleite für die Hersteller im Nachbarland haben und worauf die Industrie jetzt den Fokus lenken sollte.

möbel kultur: Kika/Leiner musste Insolvenz anmelden. Welche unmittelbaren Auswirkungen hat das für die österreichische Möbelindustrie?
Dr. Georg Emprechtinger: Die Gewichtungen verschieben sich. Da die österreichische Möbelhandelslandschaft mit der XXXLutz-Gruppe, Ikea und Kika/Leiner als Großflächenanbieter bisher schon sehr konzentriert war, wird sich die Situation noch einmal verschärfen. Zudem gehören die Industriebetriebe zum Teil auch zu den Gläubigern. Laut den vorläufigen Ergebnissen belaufen sich Gläubigerforderungen (Passiva) bei Kika/Leiner auf circa 132 Mio. Euro.

Hinzu kommen weitere Faktoren, die unsere Möbelindustrie aktuell vor Herausforderungen stellen, wie etwa die steigende Inflation, höhere Beschaffungspreise und die Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine. Parallel dazu schlagen steigende Betriebskosten für Energie, Personal und Rohstoffe zu Buche, während gleichzeitig die Konsumlaune niedrig ist und die Bauwirtschaft stagniert. Wir können derzeit nicht absehen, wann sich diese komplexe Marktlage wieder erholt. Insgesamt gesehen befinden wir uns in einem Strukturwandel, dem der Handel und die Industrie mit neuen Antworten aktiv begegnen müssen.

möbel kultur: Schon jetzt steht fest, dass Möbelhäuser geschlossen, gegebenenfalls übernommen werden. Wie wirkt sich dies auf den Konzentrationsprozess in Österreich aus?
Dr. Georg Emprechtinger:
Der Konzentrationsprozess in Österreich wird dadurch sicher noch verstärkt. Bisher hielten Kika/Leiner zusammen mit der XXXLutz-Gruppe und Ikea den Löwenanteil des Marktes. Mit der Kika/Leiner-Insolvenz bricht ein wichtiger Absatzkanal im Inland weg. Wenn auch einige Möbelhäuser der Gruppe die Krise überstehen werden, verändert sich die Situation im Handel deutlich. Aktuellen Zahlen zufolge schließen 23 von insgesamt 40 Kika/Leiner-Standorten. Nun geht es darum, ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept für die restlichen Möbelhäuser zu erarbeiten.

möbel kultur: Worauf kommt es aus Ihrer Sicht jetzt für die österreichischen Hersteller an? Müssen die Aktivitäten in Richtung Export deutlich erhöht werden?
Dr. Georg Emprechtinger:
Der österreichische Markt ist begrenzt – deshalb war der Export schon immer ein starkes Standbein der heimischen Möbelindustrie. Das zeigen die Ergebnisse des Vorjahres. So gelang es 2022 trotz des schwierigen konjunkturellen Umfeldes, ein Export-Plus von 16 Prozent zu erwirtschaften. Allein die Lieferungen nach Deutschland stiegen um 9,2 Prozent an. Allerdings müssen wir uns darauf einstellen, dass die wirtschaftliche Dynamik weiter nachgibt, was sich auch im Export auswirken wird. Zwar genießt Österreich bis weit über die Grenzen des Landes hinaus einen exzellenten Ruf für Produkte auf Premium-Niveau, patentierte Funktionen, Nachhaltigkeit und ansprechendes Design, dennoch können wir derzeit nicht absehen, ob das hohe Ausfuhr-Niveau aus dem letzten Jahr fortgeführt werden kann.

Die rückläufige Entwicklung der Weltwirtschaft bremst die Exporte, das zeigte bereits das erste Quartal 2023. Dennoch stehen Möbel made in Austria nach wie vor für Qualität, führende Umweltstandards, Funktionalität und moderne Technologie. Zudem erfreuen sich von Hand gefertigte Details und innovative Extras einer großen Wertschätzung auf den internationalen Märkten. Hier können die Manufakturen ihre Stärken ausspielen. Sie verbinden Innovationsgeist mit traditionellen Werten und treffen damit den aktuellen Zeitgeist. Diese Vorteile haben sich bereits in anderen Krisen bewährt und werden auch zukünftig ein kraftvoller Motor sein.

Diese Seite teilen