Der importierende Einzelhandel hat mit deutlichen Worten die Entscheidung des EU-Parlaments kritisiert, die Reform des Anti-Dumping-Rechts abzulehnen. "Offensichtlich setzen die Abgeordneten angesichts der Wirtschaftskrise auf die Abschottung der Märkte. Das ist aber genau der falsche Schritt", sagt Jan Eggert, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands AVE über das Vorgehen in Brüssel.
Stein des Anstoßes ist, dass seit über zwei Jahren unter dem Stichwort "Modernisierung der handelspolitischen Schutzinstrumente" in Brüssel und den EU-Mitgliedsländern darüber beraten, wie das geltende Anti-Dumping-Recht reformiert werden kann. Das aktuell geltende Recht stammt in weiten Teilen aus dem Jahr 1979 und gilt als völlig veraltet. "Der Welthandel und seine Warenströme haben sich in den letzten drei Jahrzehnten grundlegend verändert", so Eggert. "Dass Strafzölle immer noch auf Grundlage eines Gesetzes aus den siebziger Jahren verhängt werden, ist im Grunde skandalös", klagt der Hauptgeschäftsführer.
Der Handel beobachtet in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg protektionistischer Maßnahmen. Händler und Importeure beklagen überdies die mangelnde Transparenz und Vorhersehbarkeit der gängigen Praxis der Verhängung von Anti-Dumping-Zöllen. So treten die Zölle oft praktisch ohne Vorlaufzeit in Kraft, womit sich für den Handel die Ware, deren Kosten bereits kalkuliert sind, schlagartig verteuerten. Der Verband spricht sogar von "rein politischen Motiven". "Das geltende Anti-Dumping-Recht wird in der Praxis zunehmend zum Schutz von Einzelinteressen und nicht mehr wettbewerbsfähigen Industrien in Europa missbraucht - die Leidtragenden sind der Handel und die Verbraucher", so Eggert.
Der Einzelhandel fordert vor diesem Hintergrund eine Reform des Anti-Dumping-Rechts.
"Wir brauchen ein Anti-Dumping-Recht auf der Höhe der Zeit", so Eggert. "Dabei muss auch debattiert werden, ob es angesichts des erreichten Grades an Globalisierung noch zeitgemäß ist, ein Warenangebot künstlich zu verteuern." Zwar sei es grundsätzlich legitim, europäische Industrien vor unfairen Handelspraktiken zu schützen. In der Praxis werde dieses Ziel aber häufig nicht erreicht, weil gerade bei Konsumgütern europäische Produzenten oft nicht in der Lage seien, der Nachfrage zu entsprechen.
In der deutschen Möbelindustrie sieht man die Sachlage naturgemäß ein wenig anders. VDM-Präsident Elmar Duffner hatte im vergangenen Jahr mehrfach die "Importschwemme" im deutschen Handel angesprochen, die zu Lasten der einheimischen Industrie ginge, da nach wie vor mehr als jedes zweite in Deutschland verkaufte Möbel aus dem Ausland stamme. Deshalb fordert der Herstellerverband unter anderem eine Kennzeichnungspflicht, um das Label "Made in Germany" zu stärken, wie Duffner auf der "imm cologne" erneut bekräftigte: "Wir setzen uns daher gegenüber der EU für eine verpflichtende Herkunftsangabe auf Möbeln ein. Wir halten diese Kennzeichnung aus Verbrauchersicht für zwingend notwendig, weil damit neben dem Preis zumindest ein wichtiges weiteres Kaufargument gegeben wird. Denn in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft haben die Verbraucher einen Anspruch auf Hinweise, unter welchen Standards ihre Einrichtungsgegenstände hergestellt wurden."
Der AVE gehören importierende Einzelhändler wie Metro, Lidl, C&A und Rewe an, aber auch Markenunternehmen wie Adidas, Puma oder Esprit.