Jeder dritte der größten deutschen Online-Händler hat in den vergangenen acht Monaten beim Versand an der Preisschraube gedreht. Das ist das Ergebnis von ParcelLab. Der Spezialist für Operations Experience hat die Terms & Conditions von 100 der größten Online-Händler in Deutschland (Quelle: EHI) analysiert und mit den Ergebnissen seiner aktuellen Studie „OXM 2022: Post-Purchase” verglichen.
Verschickten vor Ausbruch des Ukraine-Krieges noch 33 der Top-100-Händler generell kostenlos, reduzierte sich die Zahl bis Juli 2022 auf 12. Dabei setzte die überwiegende Mehrheit der Händler, die von Gratis- auf kostenpflichtigen Versand umstellten, auf eine sanfte Einführung über einen Mindestbestellwert (MOV), ab dem der Versand weiterhin kostenfrei bleibt. Lediglich rund jeder Fünfte macht einen radikalen Schnitt und verlangt künftig für alle Bestellungen gleich welcher Höhe eine Versandpauschale.
Bei den Schwellenwerten für kostenlosen Versand zeigt sich ein durchmischtes Bild. Während 18 der 46 Händler mit Mindestbestellwert schon bei unter 30 Euro auf Versandkosten verzichten, setzen 16 die Latte hoch an und versenden erst ab einem Warenwert von mindestens 50 Euro kostenlos. Teilweise lagen die Werte hier sogar deutlich über 100 Euro.
Dafür zeigt sich, dass Kunden, die den Mindestbestellwert eines Händlers nicht erreichen, bei diesen Händlern in der Regel geringere Versandkosten bezahlen, als sie bei Händlern entrichten müssten, die generell Porto und Verpackung in Rechnung stellen. Während bei Letzteren fast zwei Drittel zwischen vier und sechs Euro verlangen, bleiben 75 Prozent der Händler mit Mindestbestellwert deutlich unter vier bis fünf Euro.
„Es wird spannend sein zu beobachten, ob sich die Einführung von Mindestbestellwerten für die Online-Händler wirklich rechnet, oder ob dieser Schritt letzten Endes nur ihre Retourenquoten erhöht, weil clevere Kunden einfach mehr bestellen und die nicht gewollte Ware dann einfach wieder zurückschicken“, kommentiert ParcelLab-Mitgründer Anton Eder die Ergebnisse seiner Analyse. Wer dies verhindern und dann nachträglich noch Versandkosten in Rechnung stellen will, müsse seine Prozesse dahinter im Griff haben. „Am effektivsten wäre allerdings, zu vermeiden, dass Kunden so vorgehen“, so Eder. Dabei helfe unter anderem eine gute Versandkommunikation, die die Begehrlichkeit der bestellten Produkte noch vor dem Empfang steigert. Hinweise, dass jede unnötige Retoure die Umwelt belastet, können helfen, zu vermeiden, dass aus den erhofften Zusatzeinnahmen nicht ungewollte Zusatzkosten entstehen.