Nach den Ereignissen in der Vormesse-Woche war jedem klar, dass seit dem vergangenen Wochenende nicht nur Möbel im Blickpunkt stehen würden. Dafür waren der Segmüller-Beitritt zum EMV, die Auslegung des Bundeskartellamts in Sachen VME-Union-(KHG) oder das Jubiläumsschreiben von XXXLutz zu bedeutungsschwer. Und in der Tat lag in den vergangenen Tagen eine Spannung in der Messehallen-Luft, die es zehnfach in sich hatte.
1. Exekutive Unterstützung: Dass das Bundeskartellamt sich in der Möbelbranche nun bestens auskennt, stärkt den Rücken der Industrie. Jahrelang hatte sich die Behörde kaum für die Konzentration in unserer Branche interessiert. Das ist nun anders und sorgt für einen echten Paradigmenwechsel. Fortan wird jede Fusion genauer abgewogen werden müssen. Bei VME-Union hatte man offenbar nicht erwartet, dass das Bundeskartellamt auch bei einzelnen Warengruppen wie Küche so genau hinschaut, auch wenn das Prüfverfahren laut VME-Union inzwischen abgeschlossen ist.
Und auch das Schreiben von Lutz an die Industrie, in dem die Österreicher einen Jubiläumsrabatt für „75 Jahre XXXLutz“ in Höhe von 7,5 Prozent in zwei Dreimonatszeiträumen 2020 pauschal fordern, hält einer Bewertung des Bundeskartellamts vorerst nicht stand. Denn wie lautet die Gegenleistung der Österreicher an die Industrie, fragt die Behörde zurecht. Im Messeverlauf zeigte sich, dass sich Lutz mit dem Schreiben ein Eigentor eingenetzt hatte. Denn große Teile der Industrie sahen keine Basis überhaupt ein Gespräch darüber zu führen, weil der Bogen so weit überspannt worden sei. Der Support der Bundesoberbehörde stärkt das zuletzt gewachsenen Selbstbewusstsein der Industrie weiter. Für den scheidenden VHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Lucas Heumann, der die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Handel und Industrie unbeirrbar auf die Agenda der Behörden setzen wollte, ist das nicht weniger als ein großer Triumph zum Abschied in den Ruhestand.
2. Wichtiger Herbst: Dass alle wichtigen Meldungen so kurz vor der Messe verbreitet worden sind, sagt etwas über die Bedeutung der Herbstmessen aus. Nur mit klaren Verhältnissen, kann man effektiv einkaufen gehen. Und gekauft wurde erfreulicherweise dann wirklich und nicht nur die M.O.W. wurde ihrem Namen als Ordermesse gerecht.
3. Spanplatten-Konfusion: Zum 1. Januar 2020 treten bekanntermaßen die neuen Obergrenzen für Formaldehyd-Werte in Kraft – wenn auch vorerst nur in Deutschland. Die Industrie hat das Thema mehr oder weniger verschlafen und spielt nun unterschiedliche Szenarios durch. Der Worst Case: Ab dem 1. Januar dürfen nicht mal mehr Ausstellungsstücke mit den alten Grenzwerten im Handel stehen. Engpässe werden nicht nur bei den Spanplatten-Kapazitäten neuer Prägung befürchtet, es steht auch keine entsprechende Infrastruktur an Prüflaboren zur Verfügung, um die Möbel neuer Machart zu deklarieren.
Andere wiederum meinen, dass Thema sei von der Zulieferindustrie künstlich aufgeblasen, um Preiserhöhungen zu rechtfertigen, aber längst hätten Krono, Egger, Pfleiderer & Co. die neue Platte im Griff. Wer die Preiserhöhung am Ende zahlt – Handel oder Industrie – ist allerdings noch längst nicht geklärt.
Ob Forte so zum großen Gewinner wird? Vielfach mussten sich die Polen schon Spott anhören, sich mit ihrem neuen Spanplatten-Werk (Tochterunternehmen Tanne) einen gewaltigen Klotz ans Bein gebunden zu haben. Doch in der nigelnagelneuen Fertigung sind die neuen Spanplatten-Anforderungen keine Hürde.
4. Greta-Effekt: Auch in der Möbelbranche hält das Thema Nachhaltigkeit Einzug – und zwar mit Nachdruck. Die Materialien der Wahl sind hier beispielsweise heimische Hölzer und Kokos, aber auch reine Schurwolle und naturbelassene Leder. Der FSC war auf der M.O.W. präsent, Massiv Direkt unterstützt Plant for the Planet, bei Inter Link bewarb man die emissionsvermeidende Fertigung und selbst vor Kleiderbügeln macht Greta nicht halt. Pieper Concept zeigte Produkte aus 100 Prozent PET sowie aus 50 Prozent Weizenstroh (und 50 Prozent Kunststoff).
5. Reiseplanung: Lange Zeit hatten die Einkaufskommissionen ihre Reisezeit immer weiter verkürzt. Einige Trupps versuchten in der Vergangenheit mit nur zwei Tagen auszukommen. Warum eigentlich? Das fragten sich wohl auch die Einkaufskommissionen selbst, die merkten, dass man dem reichhaltigen Angebot nicht in so kurzer Zeit Herr werden kann, von Küche mal ganz zu schweigen. Insofern mussten da und dort noch Übernachtungen hinzugebucht werden. Und das in nicht unwesentlicher Stückzahl, denn die Einkaufsdelegationen waren in voller Stärke unterwegs; die neu gegründete EMMK allein mit 16 Köpfen.
Eine Unsitte lässt sich aber nicht abstellen: Schon (weit) vor dem offiziellen Messebeginn klopfen die Einkäufer an den Ständen an und möchten vollumfänglich versorgt werden. Was würde der Handel nur sagen, wenn die Endverbraucher außerhalb der Ladenöffnungszeiten vollen Beratungsservice fordern würden?
Lesen Sie hier die folgenden fünf Themen, die die Branche in den vergangenen Tagen bewegten.