Angesichts von Kaufzurückhaltung, Inflation und stockendem Wohnungsbau herrschte Unsicherheit, wie die Herbstmessen laufen würden. Die meisten wurden jedoch positiv überrascht: Auch wenn die Stimmung bei einigen Händlern aufgrund von Umsatzeinbrüchen von bis zu 20 Prozent durchaus gemischt war – sie waren alle da. Und zwar in großer Zahl. Einige Zentren zählten sogar mehr Besucher:innen als 2019. Und so hoffen die Hersteller auf eine Belebung des Geschäfts. Aktuell oder im Sommer mussten viele aufgrund der gesunkenen Auftragszahlen Kurzarbeit realisieren. Großes Problem: Die Verlässlichkeit des Auftragseingangs ist verloren gegangen. „Wir können nur noch auf Sicht fahren“, so der Tenor. Nun soll es aber wieder mehr Schwung geben. Reiner Zweckoptimismus oder berechtigte Hoffnung? Viele Unternehmen haben sich zu den Herbstmessen trotz der widrigen Bedingungen richtig gut aufgestellt. Die Zeit ist einmal mehr reif für Firmenkonjunkturen.
Firmenkonjunkturen
Nächstes Jahr feiert K+W beispielsweise ein wirklich besonderes Jubiläum: 225 Jahre! Aus diesem Anlass wurde jetzt u.a. das Logo geändert und seit 15. September steht die Abkürzung auch wieder für „Krauss und Weinbeer“ und nicht mehr für „Komfort und Wohnen“. Denn Geschäftsführer Michael Kasper will die Tradition des Unternehmens wieder stärker hervorheben, auch mit dem Zusatz „Möbelwerkstätten seit 1799“, denn so Kasper: „Zukunft braucht Herkunft“. Den Handel wird zudem das preislich attraktive Jubiläumsmodell in Cloud-Leder und in der trendigen Farbe Cognac freuen.
Im Ausstellungszentrum der Rietberger Möbelwerke war von der schwierigen Lage im Markt nichts zu spüren. Hier konzentrierte sich der Handel auf die Neuheit „Comfort Close“, die wirklich eine echte Innovation ist. In Kooperation mit Jab Anstoetz wurde pünktlich zum 20-jährigen Firmenjubiläum ein Möbelsystem mit textiler Front entwickelt.
Dass man den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken darf, betonte auch Benjamin Homan von Be Social, der auf der 360-Grad-Plaza vor Ort war. „Die Wörter ,Krise‘ und ,Chance‘ sind ganz nah beieinander. Die Branche sollte sich viel mehr auf die sich ergebenen Marktchancen fokussieren als die Krise zu bejammern“, so sein Statement.
Produktportfolio ausbauen
Ein weiteres positive Beispiel: Inter Link. Das Unternehmen hat mit 13 neuen Programmen für den konventionellen Bereich richtig Gas gegeben und ein Trading-up vollzogen. „Wir kriegen nur Komplimente und sind positiv geschockt“, freute sich Geschäftsführer Martin Link. Das Besondere an den Programmen: Sie sind aus massiver Weihrauchkiefer gefertigt und werden zerlegt in Packstücken á 30 kg aus Brasilien geliefert. Was wiederum Dank der Bevorratung kurze Lieferzeiten für den Handel bedeutet.
Die Beschaffungsmärkte haben sich zwar insgesamt etwas entspannt, aber das Beispiel Inter Link zeigt trotzdem, dass die Märkte nicht mehr so rund laufen wie vor dem Ukraine-Krieg. Mit der Folge, dass neue Lieferländer getestet werden. Einen solchen Test hatte MCA Furniture mit Tischen und Stühlen aus der Türkei gestartet. Jedoch musste Geschäftsführer Benjamin Dobrott jetzt einräumen, dass das Engagement dort erst einmal auf Eis gelegt wurde. „Es war noch nicht auf dem Punkt, wie wir uns das vorgestellt hatten.“ Stattdessen hat das Unternehmen ein Joint Venture mit dem kroatischen Unternehmen Contorte geschlossen. Diese Zusammenarbeit hat sich bereits als sehr fruchtbar erwiesen, denn unter der Marke MCA massiv werden zu den Partnertagen im Januar 2024 vollmassive Kastenmöbel präsentiert. „Diese strategische Entscheidung verfolgt das Ziel, die Reichweite unseres Unternehmens zu steigern und unsere Position als führender Anbieter hochwertiger Kastenmöbel zu untermauern und auszubauen. Dabei möchten wir nicht nur unsere bestehenden Verbände und Großkunden bedienen, sondern auch verstärkt die Bedürfnisse von Experten im Bereich Massivholzmöbel ansprechen“, erklärt Benjamin Dobrott.
Zudem wurde das Sortiment zum Teil nach unten ergänzt (z.B. Dunlopillo und Richfield) oder die bisher im unteren Preisbereich vorhandenen Kollektionen stärker akzentuiert, weil damit gerechnet wird, dass die Endkund:innen weiter preissensibel kaufen werden.
Neues wagen
Schwierige Zeiten sind immer auch gut, um neue Dinge auszuprobieren. Das zeigte auch der Besuch im Designschloss Bosfeld. Zum ersten Mal ist das fast 300 Jahre alte und 600 qm große Herrenhaus in Rheda-Wiedenbrück Anlaufstation für insgesamt acht Marken aus dem Hochwertbereich, darunter Fine, Kettnaker, Weibel Weibel und Raasch. Initiator ist Toma Flach, der erst Anfang des Jahres die Marke Fine für hochwertige Betten gegründet hat. Und mit seinem Sortiment Nischen im Hochwertbereich besetzen will. Sein USP: regionale Fertigung, flache Hierarchien und Flexibilität. An seiner Seite, als externer Berater: Branchenkenner Bernd Schellenberg. Wirklich ein tolles neues Ambiente, das hier geschaffen wurde. Und jetzt nach Messeschluss wird die Location von den teilnehmenden Firmen als Dauerausstellung genutzt.
Etwas Neues probierte auch Jean-Claude Gertschen. Er stellte in Halle 19 seine eigene Polstermöbelkollektion „Fleur Sauvage“ vor. Die Möbel sind großzügig, bequem, frisch in der Formensprache und durch ihre Modularität enorm flexibel. „Ich versuche, einen unkonventionellen Weg zu gehen“, betonte der Designer. Entsprechend entwarf er eigenständige Designs für die Nische, die bei den Besucher:innen sehr gut ankamen. Darüber hinaus steuerte er auch noch neue Betten für Carla & Marge bei, die ihr Portfolio im Segment Schlafen erweiterten.
Lange erwartet und nun endlich realisiert: die Hülsta Küche. Natürlich haben die Stadtlohner damit die Küche nicht völlig neu erfunden, doch die Art und Weise, wie Küche, Wohnen und Speisen künftig von der Marke aus einem Guss dargestellt werden können, war schon verblüffend und überzeugend. Jetzt muss das Konzept gemeinsam mit dem Handel PoS-reif gebracht werden.
Auch Ada hat sich in den vergangenen Wochen neu aufgestellt und auf der M.O.W. seine Ein-Markenstrategie „Ada. Mindful living“ vorgestellt. Mit ihr will das Unternehmen vom einfachen Möbelhersteller zum „Entschleuniger des Alltags“ werden. Ziel ist es, den Menschen ein achtsames und bewusstes Wohnen mit österreichischer Gemütlichkeit und Gelassenheit zu ermöglichen.
Nachhaltigkeit
Um das Thema Nachhaltigkeit muss sich heute jedes Unternehmen kümmern. Nicht nur, weil es schlicht und einfach notwendig ist und weil in absehbarer Zeit von den Firmen Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt werden müssen. Gleichwohl stand das Thema auf den Herbstmessen nicht mehr ganz so sehr im Fokus wie zuletzt, sicherlich auch, weil es jetzt vor allem darum ging, dafür zu sorgen, dass der Möbelkonsum wieder angekurbelt wird, dass in der kommenden Herbst-/Wintersaison, der traditionell eigentlich starken Möbelzeit wieder mehr Kund:innen den Weg ins Möbelhaus finden. Bei einigen Unternehmen, wie z.B. bei dem Massivholzmöbelhersteller Hartmann wird das Thema allerdings so authentisch gelebt und forciert, dass es auch jetzt großes Thema war. Hartmann fertigt heute schon klimaneutral und gehört zusammen mit Cor und der Möbelfabrik Werner Knake zu den drei Finalisten des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, der Ende November verliehen wird. Auch Staud engagierte sich weiter in Sachen Ökologie – und zwar mit dem Blauen Engel.
Einen ersten Einblick in die Neuheiten von M.O.W. & Co. liefert die Bilderstecke. Eine umfassende Messeanalyse lesen Sie in der Oktoberausgabe der „möbel kultur“.