Detlef Klatt hat mit seinem noch jungen Unternehmen eine Nische besetzt, die jetzt mehr Beachtung findet. (Foto: Rosetime für Klatt Objects)

Lieferketten im Stress - Interview VI

Detlef Klatt: "Das kurzfristige Denken bringt uns langfristig nicht weiter"

Die Auswirkungen der Pandemie haben die Lieferketten gesprengt. Die Konsumgüterbranche ist mit einem hohen Import-Anteil und großen Order-Volumina davon besonders getroffen. Dass es sich dabei nur um eine Momentaufnahme handelt, glaubt keiner der Top-Unternehmer, die wir um ihre Einschätzung für 2022 gebeten haben. Im sechsten Interview der siebenteiligen Serie berichtet Detlef Klatt, Inhaber von Klatt Objects, warum er sich schon längst vom Massenmarkt in China verabschiedet hat. Mit seinem Fokus auf philippinische Produkte aus Manufakturbetrieben verfolgt er ein anderes Geschäftsmodell in der Nische.

P&G: Herr Klatt, was ist im Sourcing aktuell die größte Herausforderung?

Detlef Klatt: Für mich ist das die Ungewissheit, die derzeit den Alltag bestimmt: Wie und wo ist die Ware unterwegs? Wann kommt die Ware tatsächlich bei mir an? Machen meine Kunden den Lieferrückstand mit? Wann und wie umfangreich sollte ich meine Kunden informieren, damit sie mir noch vertrauen? Alles, was ich jetzt weiß, kann ja morgen wieder anders sein. Das heißt: Was kann ich überhaupt planen und was versprechen? Mich trifft dieses Problem echt hart, denn meine Kunden kennen mich als sehr zuverlässig und liefertreu.
Gleichzeitig schätzen meine Kunden meine offene und ehrliche Kommunikation. Daran habe ich auch jetzt festgehalten. Wenn wichtige News reinkommen, teile ich diese. So konnte ich jetzt zur Weihnachtssaison wenigstens Zwischenstände kommunizieren und einen Rest Planbarkeit vermitteln. Das kam sehr gut an, denn so konnten meine Kunden wiederum ihre Kunden informieren. Schlussendlich sitzen wir ja alle in einem Boot.

P&G: Wie hoch sind die Containerkosten? Und wann rechnen Sie mit einer Beruhigung?

Detlef Klatt: Die Kosten sind zeitweise um das Zehnfache angestiegen und liegen aktuell ungefähr beim Achtfachen im Vergleich zum Vorjahr. Die Entwicklung voraussehen zu wollen, gleicht meines Erachtens einem Blick in die Glaskugel. Vor Sommer 2022 erwarte ich keine Entspannung. Danach hoffe ich auf etwas Beruhigung.

P&G: Wie stark sind die Einkaufspreise gestiegen?

Detlef Klatt: Ich weiß, dass viele Anbieter, vor allem im Massenmarkt, mit hohen Preissteigerungen zu kämpfen haben. Für mich gilt das weniger. Das liegt schlichtweg daran, dass ich ein ganz anderes Konzept fahre: Die Produkte für Klatt Objects entstehen in Handarbeit, vor allem in kleinen ländlichen Manufakturen und Familienbetrieben. Die arbeiten sehr traditionell, das heißt ressourcenschonend. Zwar spüren auch sie die steigenden Energiekosten und werden diese wohl auch irgendwann weitergeben müssen. Aber faktisch fallen die Energiepreise in solchen Betrieben gar nicht so stark ins Gewicht. Dasselbe gilt für die Rohstoffe. Auch hier setze ich auf lokale Materialien wie etwa traditionell hergestelltes Knochenporzellan, regionale Fund- und Schnitthölzer oder Perlmutt, das wir aus der ansässigen Lebensmittelindustrie beziehen und upcyclen. Diese Art von Rohstoffen ist im Weltmarkt gar nicht relevant und daher auch nicht von den Preissteigerungen betroffen. Was mich wie oben erwähnt schon betrifft, sind die Transportkosten der fertigen Produkte. Aber das ist ja ein anderes Thema.

P&G: Welche Artikel sind besonders problematisch?

Detlef Klatt: In meinem Sortiment keines.

P&G: Lässt sich aktuell überhaupt solide sourcen?

Detlef Klatt: Dazu kann ich wenig sagen, denn ich source ja gar nicht. Auf den Philippinen arbeite ich über Jahre (teils zwei Jahrzehnte) hinweg mit denselben Firmen und Leuten zusammen. Durch diese langfristige und vertrauensvolle Bindung hat sich ein gegenseitiges Verantwortungsbewusstsein entwickelt, von dem beide Seiten profitieren. Ich würde nie meine Partner dort im Stich lassen und sie mich nicht. Das ist in einer Krise besonders wertvoll.

P&G: Gibt es Unterschiede nach Ländern?

Detlef Klatt: Ich produziere vor allem mit meinen Partnern auf den Philippinen. Daher kann ich aus eigener Erfahrung dazu nichts sagen.

P&G: Möchten Sie in Zukunft in anderen Regionen einkaufen?

Detlef Klatt: Nein, das habe ich nicht geplant. Die philippinische Handwerkkunst ist Teil meiner Marken-DNA. Viele Designs sind gemeinsam mit den Künstlern vor Ort entstanden. Das lässt sich nicht ersetzen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht offen bin. Es kann durchaus sein, dass ich außerhalb der Philippinen einen tollen Werkstoff oder eine Handwerkskunst entdecke, die ich besonders reizvoll finde. Wenn das gut in meine Sammlung passt, dann nehme ich gerne etwas Neues auf. Ich habe ja beispielsweise auch Gemälde von einem kubanischen Künstler im Programm. Das hat sich einfach toll ergänzt. Grundsätzlich gilt für mich: Solide Beziehungen sind wichtig – und zwar nicht nur in turbulenten Zeiten wie diesen. Das kurzfristige Denken bringt uns langfristig nicht weiter.

P&G: Was sagen die Handelspartner zu der Situation? Stellen die Händler Sortimente um?

Detlef Klatt: Klar ist die Situation für alle schwierig, aber meine Partner im Handel meistern die Krise schon beeindruckend gut. Dazu gehört sicher auch das Umstellen der Sortimente zum Beispiel auf mehr wertige und nachhaltige Produkte. Darüber hinaus haben viele Händler eine enorme Kreativität entwickelt: vom Kioskfenster im Lockdown bis zu einer ganz neuen Art der Kundenkommunikation. Einige nutzen zum Beispiel die Social-Media-Kanäle jetzt weniger werblich, sondern viel mehr, um ihre Stammkundschaft mitzunehmen und zu informieren. Teilweise haben die Läden das Warten genutzt, um ihre Kunden richtig heiß auf die Ware zu machen. Das kommt nicht nur gut an, sondern liefert jede Menge Anlass für nachhaltige Kommunikation.
Und auch hier zeigt es sich: Es geht immer wieder um Vertrauen und Zuverlässigkeit. Dazu gehört dann eben auch, dass ich als Lieferant Bescheid sage, wenn es etwa zu Verzögerungen kommt. Dann können meine Partner im Handel auch etwas daraus machen.  

P&G: Wie lautet Ihre Prognose für 2022 bezogen auf Ihre Geschäftsaktivitäten?

Detlef Klatt: Ich bin da recht zuversichtlich. Zum einen bin ich als junges Unternehmen sehr agil und kann mich gut auf neue Situationen einstellen. Zum anderen offenbart die Krise recht deutlich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Der aktuelle Engpass etwa zeigt, dass Mainstream weiter an Bedeutung verliert. Jetzt, wo weniger da ist, suchen die Menschen nach guten Produkten, die ihre eigene Geschichte erzählen. Das heißt: Was ich jetzt bekomme, soll besonders sein –  einen Wert darstellen für mich und für die Gesellschaft. Genau mit dieser Mission bin ich mit Klatt Objects angetreten: etwas Sinnhaftes und Schönes zu erschaffen. Daher produziere ich seit Beginn an mit Menschen für Menschen. Nachhaltig, bewusst und nachvollziehbar. Und es freut mich natürlich, dass das jetzt in dieser Zeit noch stärker wahrgenommen wird und einfach sehr gut ankommt.

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