Für Clemens Nemann ist der direkte Kundenkontakt nicht Pflicht, sondern Kür. Er ist gern im Gespräch mit den Menschen. Auch um Beanstandungen, sofern diese mal vorkommen, kümmert sich der Inhaber von Möbel Nemann in Vechta noch immer selbst, wenn es zeitlich passt. Denn diese Termine sind für den Vollblut-Händler Marktforschung und Akquise zugleich. Denn wo könnte man den weiteren Einrichtungsbedarf besser ausfindig machen als direkt zuhause vor Ort? So viel Persönlichkeit kann kein Onlineshop und kein Großflächenhaus. Das zeichnet Möbel Nemann aus.
Für den Weg in die Zukunft hat Clemens Nemann sich mit Alexander Lager personell verstärkt. Der 31-Jährige ist seit zwei Jahren als Geschäftsführer für den Local Hero im Einsatz. Und ein Platzhirsch ist Möbel Nemann ohne Frage, denn das 1949 gegründete Handelsunternehmen ist die erste Anlaufstelle für Home&Living im Oldenburger Münsterland. Die Kaufkraft in der ländlichen Region ist überdurchschnittlich, denn es gibt einige starke Industrieunternehmen im Kreis sowie natürlich viele landwirtschaftliche Betriebe. In dem ca. 34.000 qm großen Haus finden Kund:innen aus dem Dreieck zwischen Oldenburg, Bremen und Osnabrück alles, was sie zum Einrichten brauchen. Und auch die ostfriesischen Inseln sind ein zunehmend wichtiger Absatzmarkt geworden.
Auf den ersten Blick fällt auf, wie überaus gepflegt das Haus ist – von der Fassade bis in die letzte Koje. Da man sich im Kreis Vechta mindestens zwei Mal im Leben begegnet, ist der persönliche Kundenservice auch das beste Marketing-Instrument. Aber auch nach innen muss es stimmen. Der Unternehmensspirit ist wichtig. Gemeinsame Firmenevents wie das obligatorische Grünkohlessen stärken den Zusammenhalt und neue Mitarbeiter:innen werden sorgfältig geschult und schnell in den Betrieb integriert.
Möbel Nemann ist ein Haus mit ganz eigener Handschrift. Das zeigt sich für den Fachmann auf den ersten Blick am Sortiment. Die zerlegte Ware steht direkt neben der montierten Ware – mit einem klaren Preisaufbau. „Junges Wohnen versteht doch kein Mensch“, sagt Clemens Nemann in seiner unnachahmlichen Art. Und während andere die Fachsortimente-Abteilungen wieder reduzieren, bietet Möbel Nemann die Bandbreite eines Kaufhauses und generiert dabei „wesentliche Umsätze, weil wir uns vernünftig darum kümmern“, sagt er.
Obwohl bei Möbel Nemann ein gewisser Eigensinn festzustellen ist, ist die Mannschaft davon überzeugt, dass es ohne die Gemeinschaft eines Verbandes nicht geht – auf allen Ebenen. Clemens Nemann selbst sitzt deshalb auch schon lange im Aufsichtsrat des Einrichtungspartnerring VME. Er glaubt, dass das Unternehmen als klassischer Mittelständler dort sehr gut bei dem Full-Service-Verband untergebracht ist. Das zeigt sich auch an den Marken Interliving, Comfortmaster oder Modulmaster, die voll und prominent durchplatziert sind. Und die Kunden fragen immer häufiger danach. „Ich glaube an Schwarmintelligenz“, sagt Nemann. „Wir haben nur in einer starken Gemeinschaft eine Überlebenschance.“
Das Haus ist in seiner 73-jährigen Geschichte kontinuierlich gewachsen – erst mitten im Zentrum der 33.000 Einwohner zählenden Kreisstadt Vechta und seit 1998 an seinem jetzigen Standort in der Falkenrotter Straße. Damals war das Möbelhaus (mit noch 12.000 qm Fläche) dort ein Solitär, heute liegt es inmitten eines vielfältigen Gewerbegebietes mit direkter Anbindung an die A1. (Am alten Standort wurde ein 4.000 qm großer gehobener Discount-Markt eingerichtet, der aber nicht unter dem Namen Nemann läuft.) Der letzte große Coup zeigt erneut den Pioniergeist von Möbel Nemann: 2014 eröffnete das Gartencenter Nemann Home & Garden, das an den Möbelhaus-Komplex direkt angeschlossen ist. So etwas gibt es wohl nur ein Mal in Deutschland. Obwohl die Sinnhaftigkeit dieses Schrittes einleuchtet, war er mutig, denn das grüne Business funktioniert anders. Auf mehr als 3.000 qm Verkaufsfläche finden die Einrichtungskunden dort Pflanzen und Gartenaccessoires. „Es funktioniert“, kommentiert Clemens Nemann vielsagend.
Mit dem Nemann-typischen Tatendrang lässt sich das Team auch jetzt nicht entmutigen. Der Landkreis Vechta war aufgrund der Fleisch-Industrie in der Pandemie stark von Lockdowns gebeutelt. Und dennoch waren es zwei gute Jahre, denn die Bewohner entdeckten ihre Liebe zum Einrichten und vor allen Dingen zum eigenen Garten neu. Das hält noch immer. Zwar sind die Frequenzen seit dem Ukraine-Krieg rückläufig, aber diejenigen, die ins Haus kommen, haben konkrete Kaufabsichten. Nun wird in die Verfügbarkeit investiert, um mit dem Onlinehandel mitzuhalten. Deshalb stehen als nächstes der Bau eines Hochregallagers sowie der Relaunch des Onlineshops auf der Agenda. Und natürlich die Digitalisierung der Prozesse. Denn das geht auch in der Provinz, wenn man ein weitsichtiges Team wie das von Möbel Nemann hat. Schließlich lässt sich im flachen Oldenburger Münsterland besonders weit blicken.